„Dieser Haushalt löst keine Freude aus“ – Guido Reitmeyer zum Borchener Etat 2020

In der Debatte um den Haushalt der Gemeinde Borchen haben sich die grünen Ratsmitglieder schlussendlich enthalten. Die Gründe erläuterte Fraktionsvorsitzender Guido Reitmeyer in seiner Haushaltsrede.

„Es gibt Regionen, in denen der Haushalt für eine Stadt oder Gemeinde auch als das „Schicksalsbuch“ bezeichnet wird. An der Bezeichnung ist etwas dran, da wir mit den darin beschriebenen Inhalten eben nicht nur den „normalen Lauf der Dinge“ festschreiben, sondern je nach Fraktion Weichen­stellungen vornehmen, die den jeweiligen politischen Zielsetzungen entsprechen.

Diese Fragestellung bewegt uns Grüne auch in unseren Haushaltsberatungen und wir tauschen uns intensiv darüber aus, inwieweit sich eine entsprechende Blickrichtung in dem Haushalt wiederspiegelt.

Intensiv haben wir uns in der Fraktion auch die Frage gestellt, ob das geplante Handeln der Gemeinde nachhaltig genug ist? Halten die im Haushalt enthaltenen Entscheidungen dem Blick auf Ökologie und Wirtschaftlichkeit stand? Nicht zuletzt ist es die Frage, ob wir die Zeichen der Zeit richtig deuten und mutig und entschlossen genug darauf reagieren?

Von den wirtschaftlichen Möglichkeiten her, löst der Haushaltsplanentwurf in meiner Fraktion keine Freude aus. Das liegt sicher nicht am Umfang des Werkes, das mit seinen 380 Seiten noch einmal gegenüber dem vergangenen Jahr zugelegt hat. Es erscheint dadurch sogar im Rahmen der Eckpunkte informativer und übersichtlicher. Unser Dank gilt Herrn Klare, unserem Kämmerer, der weiterhin gezwungen ist, mit roten Zahlen zu jonglieren, obwohl ihm vermutlich die schwarze Farbe in diesem Zusammenhang besser gefällt. Ebenso danken wir den Mitarbeitern der Verwaltung, die bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfes und der vorausgehenden, intensiven Abstimmung der Fachbereiche eine sehr gute und für uns Ratsmitgliedern kaum sichtbare Arbeit gemacht haben, sowie Herrn Bürgermeister Allerdissen für die Beantwortung unserer Nachfragen.

Die roten Zahlen und das große Defizit lassen uns den Haushaltsplanentwurf sehr kritisch sehen. Der Haushalt weist ein Minus von rund 1,6 Millionen Euro aus. Leider ist ein ausgewiesenes Defizit hier in Borchen nichts Neues. Seit vielen Jahren schon – zum Zählen der Jahre benötigt man schon beide Hände – ist der Haushalt defizitär. Da stimmt etwas nicht. Borchen muss sich dringend mit seinem strukturellen Defizit auseinandersetzen und einen Weg ebnen, um Lösungen zu entwickeln.

Kritisch müssen wir auch die Kreisumlage betrachten. Sie stellt einen großen Posten in unserem Haushalt dar und ist in diesem Jahr um rund 10% angewachsen. Für Borchen macht das einen Betrag von „lockeren“ 900 T€ aus. Das ist viel Geld für Borchen. Wir hängen uns sicher nicht zu weit aus dem Fenster, wenn wir behaupten, dass dies inzwischen einen lähmenden Einschnitt für die Handlungsfähigkeit der Gemeinde darstellt.
Borchen geht ins Defizit und nähert sich Jahr für Jahr der Haushaltssicherung und der Kreis ist dabei, seine Schulden abzubauen. Das kann es doch nicht sein! Ein bisschen sieht es so aus, wie im „Selbstbedienungsladen“. Natürlich erbringt der Kreis auch Leistungen für die Kommunen. Aber hier braucht es das richtige Maß und eine sparsame Planung der Kreisausgaben.
Der Kreis mit seinen zugehörigen Kommunen ist eine Solidargemeinschaft, die bei allen eigenen Zielsetzungen im Blick haben muss, dass dies nur funktioniert, wenn den Kommunen die Luft zum Atmen und der eigenen Entwicklung verbleibt.

Auch wenn man den Zuwachs der Kreisumlage von 900 T€ vom ausgewiesenen Defizit Borchens abzieht, so verbleiben immer noch 700 T€ an Defizit. Das ist nahezu der gleiche Fehlbedarf, wie im letzten Jahr. Diese 700 T€ sind in Borchen zu verantworten und wir müssen sie in unserem Zahlenwerk suchen.

Wissen sollte man dabei auch, dass die Transferaufwendungen für den Fond „Deutsche Einheit“ ab diesem Jahr wegfallen. Im vergangenen Jahr musste Borchen hier noch 382 T€ zahlen. Es erscheint wie Zufall und Glück, dass diese Aufwendungen nicht mehr gezahlt werden müssen. Ansonsten wäre das Defizit noch höher – oberhalb von 1 Mio €.

Zum Kreis sagen wir mit seinem stetig steigenden Bedarf ein „weiter so“ darf es nicht geben, aber auch Borchen intern – man könnte schon sagen, „jährlich grüßt das Murmeltier“, darf es ein „weiter so“ nicht mehr geben.

Im letzten Jahr war es soweit, dass alle Parteien, abgesehen von der SPD dem Haushalt zunächst nicht zugestimmt haben. Man könnte sagen, wir haben uns heftig und ausgedehnt  für den Haushalt gestritten. Da die Handlungsfähigkeit Borchens irgendwann nicht mehr gegeben war, hatten wir sozusagen losgelassen und den Haushaltsentwurf durch Enthaltung toleriert. Warum erwähne ich das hier noch?

Nur drei Monate später wurde uns mitgeteilt, dass alles viel besser aussehen würde und wir vermutlich einen ausgeglichenen Haushalt bekommen würden. Welches Wunder – welches Haushaltswunder – ist hier in Borchen geschehen? Zunächst ist es unmöglich, weniger Defizit einzuplanen, und dann, nur drei Monate später, erscheint ein ausgeglichener Haushalt ohne Defizit wahrscheinlich. Ich sehe hier viel Potential, unnötigen Streit und Vorwürfe zu vermeiden.

Auch wenn es heute von den Zahlen mindestens genauso ernüchternd aussieht, so gab es in diesem Jahr ein Aufeinander zugehen und die Suche nach Kompromissen.

Ich gehe kurz nochmal mit einem injaltlichem Thema zum Kreishaushalt:
Viele behaupten, dass der Flughafen für unsere Region wirtschaftlich von Vorteil sei. Für diesen vermeintlichen Vorteil wird in Kauf genommen, dass der Flughafen defizitär arbeitet und auf öffentliche Zuschüsse angewiesen ist. Insgesamt beträgt der Verlustausgleich in diesem Jahr etwa 5 Mio €. Dieser Ausgleich wird über die Kreisumlage von Borchen mitfinanziert.  Wir sehen diese Finanzierung kritisch. Doch im Kreistag hat der Landrat mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Grünen den Zuschussanteil des Paderborner Kreises durchgesetzt. Die SPD hat sich enthalten. Der Flughafen ist auf dem Weg zu einer ökologischen und wirtschaftlichen Heraus­forderung für den Kreis Paderborn zu werden.

Rund 700.000 Gäste haben im vergangenen Jahr den Flughafen genutzt. Teilt man den Zuschuss durch diese Zahl der Gäste, so wird jedes Ticket durch uns Steuerzahler mit etwa sieben Euro subventioniert.– Ob das der richtige Weg ist, Urlaubstickets zu subventionieren und dadurch weniger Geld für soziale Aufgaben der Kommunen zur Verfügung zu haben, möchte ich hier zumindest laut in Frage stellen.

Zurück zu unserem Borchener Haushalt:  Während der Haushaltsberatungen ist doch so mancher Antrag beschieden worden. Man könnte auch sagen, es war eine üppige Anzahl. Was man dabei aber auch positiv sagen muss, die dadurch weiteren Haushaltsbelastungen waren weniger üppig. Dabei waren alle, wie man so schön sagt, mit Augenmaß unterwegs.

Auf eine Kleinigkeit möchte ich im Rahmen der SPD-Anträge noch eingehen: Diese Auffälligkeit besagt, dass im Zusammenhang mit den kommunalen Abgabengesetzen eine vom Land beschiedene für die Bürgerinnen und Bürger positive Veränderung von Straßenbaubeiträgen unmittelbar dem Rat zur Umsetzung vorgelegt werden soll. Nach einer Zustimmung im Bauausschuss wurde diese Idee im HFA zurückgezogen.
Wenn ich aber die Idee der Bundes-SPD betrachte ggf., ich sage es mal mit einem Wort, „Windprämien“ zu zahlen, so bin ich mir doch recht unsicher, ob so ein Antrag nach einer Verabschiedung auf Bundesebene hier in Borchen auch bald auf dem Tisch liegen würde. J
Verheimlichen möchte ich dabei nicht, dass es der Energiewende guttun würde.

Zur Windkraft mag man ja stehen, wie man will. Fast alle sind sich aber einig, dass eine Energiewende ohne sie nicht möglich sein wird. Sie ist aber auch ein Faktor, der die Gemüter hier in Borchen erhitzt oder manchmal sogar spaltet. Gerade konnten wir vernehmen, dass weitere 4 Anlagen ihrer Geneh­migung näher gerückt sind. Das ist noch abhängig von möglichen Rechtsmitteln.

Bei dem Genehmigungsverfahren dieser Anlagen ist auch unser gerade frisch erstellter Flächennut­zungsplan auf den Prüfstand geraten. Das Verwaltungsgericht hat dabei erhebliche Mängel in Form von Abwägungsfehlern festgestellt. Unserer Ansicht nach sollten wir nun zügig und das völlig unaufgeregt in ein „Heilungsverfahren“ eintreten, um möglichst bald wieder eine für alle (das sind Befürworter sowie Gegner von Windkraft und auch die Antragsteller) verbindliche Entscheidungs­grundlage zu haben. In diesem Zusammenhang basiert die kommunale Selbstverwaltung auf einem rechtskräftigen und standhaften Flächennutzungsplan – den wir wieder erstellen müssen. Hier ist letztlich das Kunststück verlangt, die Emotionen mit der Sachlage zu versöhnen – ohne zu spalten und ohne zu polarisieren.

Sonnenklar ist aber auch, dass mit dem Näherkommen des Atom- und Kohleausstiegs sich so manches im Rahmen der Energiewende verändern wird und der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden muss. Für die Energiesicherheit werden mehr und mehr die erneuerbaren Energien wie Wind und Solar herangezogen.

Als einen weiteren Beitrag zur Energieerzeugung, haben wir beantragt, das neue gemeindliche Betreuungs- und Kitagebäude in Dörenhagen mit Photovoltaik auszustatten. Dazu besteht im Rat ein breiter Konsens.

Schauen wir auf das Wachstum innerhalb Borchens, so stellen wir fest, dass die Bevölkerungszahlen mäßig, aktuell im Promillebereich laut Haushaltsplan, rückläufig sind. Vor rund 10 Jahren hatten wir in etwa noch 500 Bewohnerinnen und Bewohner mehr. Was aber bei dieser Entwicklung steigt, ist der Flächenverbrauch pro Einwohner. Wir weisen neue Baugebiete aus, schaffen Platz für das Gewerbe, der jetzt auch erst einmal erschöpft ist, und bauen Straßen. Für jeden einzelnen von uns, ist das natürlich komfortabel. Im Blick dabei müssen wir aber auch die zunehmende Flächenver­siegelung betrachten. Von daher haben wir unseren Antrag zur Photovoltaikanlage mit einem kleinen Beitrag gegen die Flächenversiegelung gekoppelt. Mehrheitlich wurde verabschiedet, das Gebäude mit einer Dachbegrünung zu planen. – Die Begrünung mit kühlender Wirkung begünstigt sogar die Stromerzeugung.

Zur Energiewende und der Klimadiskussion gehört auch eine Mobilitätswende. Erneuerbare Energie produzieren und Energie einsparen sind die Bausteine des Klimaschutzes. Energie kann eingespart werden, wenn Strecken im Nahbereich bis 5 km Länge klimafreundlich mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden. Voraussetzung dafür ist eine attraktive Infrastruktur. Passend dazu stellten wir einen Antrag für ein klimaschonendes Rad- und Fußverkehrskonzept. Mit Fördermitteln unterstützt soll dieses nun erstellt werden und dient dann als Grundlage für geeignete Maßnahmen.

Gespannt sind wir, ob sich die Ideen zur Verlegung des Sportplatzes Hessenberg und die Realisierung eines Sportparks umsetzen lassen. Dazu müssen noch mit Fingerspitzengefühl und guter Expertise viele Schritte gegangen und viele Hürden genommen werden. Bei aller Freude auf etwas Neues, muss auch immer im Blick bleiben, dass so Manches losgelassen werden muss. Wichtig dabei ist aber, dass wir hier im Rat zusammen mit den Sportlerinnen und Sportlern einen gemeinsamen Weg finden. Störungen auf dem Weg dorthin halten wir Grüne für nicht hilfreich und fast alle hier im Rat haben dazu im Rahmen der Haushaltsberatungen ein entsprechendes stilles nach vorne gerichtetes Abstimmungsverhalten an den Tag gelegt.

Wieviel Kraft eine Einigkeit haben kann, haben wir bei der Resolution für den Kreisverkehr in Dörenhagen beobachten können, die wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben.

Auch wenn dem ein sehr dramatischer Anlass zu Grunde liegt, wurde doch deutlich, welche positive Kraft ein gemeinsames Handeln freisetzt. Wir wissen, Demokratie ist nie bequem, aber solche Punkte sollten wir pflegen. Demokratie ist auch nicht selbstverständlich und muss jeden Tag aufs Neue gelebt und verhandelt werden.

Nebenbei bemerkt, was jetzt gerade nichts mit der Sache zu tun hat: Bei so einem Streben um Demokratie bleibt dann letztlich keine Lücke – eine Lücke die nur allzu gerne von Rechtspopulisten gefüllt würde.

Kurz möchte ich noch ein zweites Mal auf das Betreuungs- und Kitagebäude in Dörenhagen eingehen. Wir haben hier bereits viel über die Frischeküche diskutiert und eine Mehrheit dafür fand sich aufgrund der von der Verwaltung dargestellten Kostenlage nicht. 610 T€ bei einer derart angespannten Haushaltslage passte irgendwie nicht zum Haushalt. So sind auch wir der Verwaltungsvorlage gefolgt.

In unserem Herzen passte das aber zu dem, was wir uns wünschen, überhaupt nicht. Wir wünschen uns, genau wie die Eltern, für die Kinder frisches Essen – am besten regional und aus biologischem Anbau.
Sollte sich noch ein Weg für die Frischeküche vor der Realisierung des Gebäudes ergeben, so sind wir gesprächsbereit und würden darüber gerne nochmals beraten.

Zu guter Letzt meiner Haushaltsrede ist noch die Frage offen, wie wir uns bei der gleich folgenden Abstimmung verhalten werden. Schauen wir auf die Zahlen, so sehen wir das Haushaltsdefizit von gut 1,6 Mio. €. Auch wenn wir die Erhöhung der Kreisumlage abziehen, so bleiben immer noch gute 700 T€ Defizit oder besser strukturelles Defizit übrig. Das gefällt uns nicht ansatzweise. Von daher können wir dem Haushalt nicht zustimmen.

Allerdings sehen wir bei allen hier im Rat

  • das Bemühen zu einem besseren Haushaltsergebnis
  • und mit dem Wissen, dass wir uns hier so manches vorgenommen haben
  • und wir auch klimafreundliche Entscheidungen getroffen haben,

so werden wir den Haushalt tolerieren und uns enthalten.

Wir wollen im Sinne eines lebenswerten und klimafreundlichen Borchens weiterhin auf eine Zukunftsfähigkeit achten und hoffen auf einen gemeinsamen Weg mit allen hier im Rat. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“

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