Die drei grünen Ratsmitglieder haben den Borchener Haushaltsentwurf abgelehnt. Insgesamt fand der Etat keine Mehrheit. Der Fraktionsvorsitzende Guido Reitmeyer begründete das grüne Nein in der Haushaltsdebatte des Rates so:
„Die Haushaltsberatungen sind in diesem Jahr bislang ganz und gar nicht geräuschlos über die Bühne gegangen. Auch unser Antrag, den Haushalt nachzubessern und die Ausgaben spürbar zu senken, hat zu kontroversen Debatten geführt.
Viel lieber würden auch wir nicht kontrovers, sondern einvernehmlich einen Haushalt beraten, der ein positives Ergebnis oder zumindest eine schwarze Null ausgewiesen hätte. Dem ist, bedauerlicher Weise, aber nicht so.
Der Haushalt selber, ein stattliches Werk von satten 370 Seiten, hinterlässt nicht nur auf den ersten Blick einen handwerklich einwandfreien Eindruck. Unser Dank geht hier insbesondere an den Kämmerer, als den Jongleur der roten Zahlen, und ebenso den Mitarbeitern der Verwaltung, die bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfes eine sehr gute Arbeit gemacht haben.
Allerdings stellen die Inhalte und die roten Zahlen für uns ein Problem dar. Wie in den vergangenen Jahren übersteigen auch in diesem Jahr die Ausgaben die Einnahmen. Der Haushalt weist ein erhebliches Defizit aus. Wenn wir die nachgereichten Positionen der Verwaltung mit berücksichtigen summiert sich der Fehlbetrag auf gut 1,1 Mio €.
Das Defizit ist von struktureller Natur, dies wurde vom Bürgermeister im zurückliegenden Haupt- und Finanzausschuss auch als solches benannt.
Vereinfacht dargestellt bedeutet ein strukturelles Defizit: Wir geben, unabhängig von konjunkturellen Schwankungen, mehr aus als wir einnehmen. Hier besteht Handlungsbedarf. Die Konsolidierung des Haushalts gehört in den Vordergrund – und das nicht erst seit diesem Jahr.
Die Wirtschaft „floriert“! Wir befinden uns in einer wirtschaftlichen Hoch-Phase mit kräftigen Einnahmen.
- Eigentlich sind das die besten Voraussetzungen für einen ausgeglichenen Haushalt in Borchen.
- Eigentlich sind das die Voraussetzungen, um das „Polster“ der Gemeinde zur Sicherung zukünftiger Aufgaben zu schonen.
Dennoch wird dem Rat wieder nur ein Haushalt zur Verabschiedung vorgelegt, der einen hohen Fehlbetrag in Millionenhöhe ausweist. Von einer Trendwende, bzw. der geforderten Konsolidierung ist Borchen weit entfernt.
Allen ist klar, dass man bei einem nicht ausgeglichen Haushalt nur zwei Stellschrauben hat:
- Reduzierung der Ausgaben
- Erhöhung der Einnahmen
Für die Erhöhung der Einnahmen, schlägt die Verwaltung vor, die Steuersätze sowohl für die Grundsteuer A und B als auch die Gewerbesteuer auf die aktuellen fiktiven Hebesätze anzuheben. Dadurch würde der Haushalt 2019 um ca. 290 T€ entlastet. Diese Mehreinnahmen durch die Erhöhung der Steuern ist im Defizit für 2019 schon eingerechnet.
Wir konnten es bereits vom Bundesfinanzminister vernehmen: „Die schöne Zeit, in der der Staat immer mehr Steuern einnimmt als erwartet, geht zu Ende.“ Die sogenannten fetten Jahre sind vorbei. Auch die Prognosen für das Wachstum der deutschen Wirtschaft für das laufende Jahr wurden deutlich nach unten korrigiert – mittlerweile spricht die Bundesregierung über eine Prognose für das Wirtschaftswachstum von nur einem Prozent.
Ursächlich dafür werden auf der einen Seite Handelskonflikte und auf der anderen Seite auch nicht absehbare Auswirkungen des Brexits genannt. Das sind alles Faktoren, die wir hier in Borchen nicht beeinflussen können, deren Auswirkungen wir aber zu spüren bekommen werden.
Von daher sind damit geringere Einnahmen für Borchen in den kommenden Jahren zu erwarten. Dies verschärft die Notwendigkeit einer Trendwende bei den Ausgaben. Sonst wird es nicht zu vermeiden sein, dass die allgemeine Rücklage weiter abschmelzt und aufgebraucht wird.
Wir wollen diese Trendwende. Deshalb haben wir einen Antrag eingebracht, der die Verwaltung auffordert Sparpotentiale auszumachen. Wenn auf der einen Seite die Steuern erhöht werden, dann soll auf der anderen Seite auch gespart werden. Das ist anschaulich und nachvollziehbar.
Schauen wir nun auf einzelne Vorhaben in Borchen, die im vergangenen Jahr Gegenstand der Beratungen waren und sich zum Teil auch im Haushalt niedergeschlagen haben.
- In Kirchborchen wird das Gewerbegebiet für den Einzelhandel erweitert. Das ist eine positive Entwicklung für Borchen. So stärken wir unseren Einzelhandel in Borchen und der Ort kann ein attraktives Angebot vorhalten. Wir begrüßen auch, dass dadurch an anderer Stelle neue Wohnungen, zum Teil auch als sozialer Wohnungsbau, entstehen.
- Möglicherweise kann das Gewerbegebiet in Alfen erweitert werden. Hier liegen Chancen der wirtschaftlichen Entwicklung für Borchen, was erfreulich ist. Gerne wären wir über den Stand der Gespräche der Regionalplanung im Rat informiert worden. So aber hörten wir davon erstmalig beim Neujahrsempfang. Wie eine Erweiterung umgesetzt werden kann, hängt auch noch an rechtlichen Rahmen-bedingungen.
- Das Baugebiet „Unterm Hessenberg“ Eine zweite Zufahrt zum Baugebiet ist nach wie vor möglich. Der Rat hat nach kontroversen Beratungen die Option dafür offen gelassen. Für die zentrale Wärmeversorgung konnte kein Grundstück außerhalb des Baugebietes gewonnen werden. Eine nahe gelegene Biogasanlage wird nicht an die Wärmeversorgung angeschlossen. Hier lag die Realisierung eines ökologischen Leuchtturmprojektes in greifbarer Nähe. Das Scheitern ist bedauerlich und eine Niederlage für die Ökologie und stellt in keiner Weise ein nachhaltiges Wirtschaften dar. Das sinnvolle Projekt ist gescheitert, weil die beiden Partner sich nicht einigen konnten und unterschiedliche wirtschaftliche Interessen hatten. Das weitere Interesse, eine Entlastungsstraße für Borchen zu planen, ist mit dem Vorgang verknüpft worden. Hier hätten wir uns eine ergebnisoffenere Diskussion gewünscht und keine zusätzliche Belastung.
- Die Entlastungsstraße für Borchen Die Planung ist ja nun beschlossen, ob die Finanzmittel für die Straße tatsächlich zur Verfügung gestellt werden, ist ungewiss ebenso wie die Frage, ob die erforderlichen Flächen von der Gemeinde erworben werden können. Sollte die Straße realisiert werden, ist auch die Nutzung durch nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer wichtig.
- Das Betreuungsgebäude in Nordborchen Es ist gut, dass wir hier nun einen gemeinsamen Weg gefunden haben. Für Borchen ist es völlig unwichtig, wer die Idee für einen Architektenwettbewerb eingebracht hat. Am Ende zählt nur das Ergebnis. Auf dem Weg dahin haben wir alle nun auch eine gute Lösung finden können und es bleibt abzuwarten, ob der Gewinner des Wettbewerbs, es mit den Budgetvorgaben verwirklichen kann. Klar ist auch, dass es hier zügig weiter vorangehen soll.
- Unser Antrag zum Thema biologische Vielfalt Borchen tritt nun dem Bündnis der Kommunen für biologische Vielfalt bei. Ideen und Erfahrungen aus diesem Bündnis können Borchen ökologisch voranbringen. Damit schließt Borchen sich an eine Gesamtstrategie an und kann Maßnahmen gebündelt und zielgerichtet umsetzen. Durch die Unterzeichnung der Deklaration schauen wir auf ein gemeinsames Ziel. Ja, das Bündnis wird unterstützt von der Deutschen Umwelthilfe, einem gemeinnützigen Verein, der nach wie vor öffentliche Fördermittel für seine Arbeit bekommt. Der Zusammenhang mit der deutschen Umwelthilfe ist an dieser Stelle beileibe kein Grund sich gleich eine gelbe Weste überwerfen zu müssen.
Weitere Anträge zu klimafreundlichem Handeln, Planen und Maßnahmen haben wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingebracht. Damit haben wir die angespannte Haushaltslage im Blick gehabt. Zukunftsorientiertes Planen und Gestalten werden so von den Zwängen des Haushaltes erstickt. Das ist alles andere als erfreulich und darf so nicht bleiben. Wir behalten uns vor, solche Projekte wie das Erstellen eines umweltfreundlichen Verkehrskonzeptes zu einem späteren Zeitpunkt hier zur Debatte zu stellen.
Ich komme zurück zu unserem Antrag, das Einsparpotential aufzuzeigen.
- Vieles ist ja schon im HFA besprochen und diskutiert worden. Über die Art und Weise der Diskussion möchte ich eigentlich gar nicht mehr sprechen. Das Vorgehen selber in der Sitzung erinnert an das „Schwarzer Peter-Spiel“. In den Fokus wurden ausschließlich die freiwilligen Leistungen gezogen. Streicht man sie nahezu komplett, so wäre der Haushalt saniert, aber es ist damit überhaupt nichts prima und in Ordnung. Diese Karte lassen wir uns nicht zuschieben. Genauso wenig lassen wir uns von einer an der Sache orientierten Debatte – auf eine persönliche Ebene ziehen. Aus unserer Sicht haben manche der Argumentationen die Ebene der Sachaussage verlassen.
- Es ist von daher für uns zu wenig, ausschließlich die freiwilligen Leistungen in den Blick zu nehmen. Wer nur dort das Einsparpotential sieht, belastet einseitig das Herzstück des sozialen Lebens der Gemeinde. Eine solche Vorgehensweise ist für uns nicht zielführend. Von daher sagen wir hier noch einmal ganz deutlich, die freiwilligen Leistungen und auch das Betreuungsgebäude sind für uns derzeit nicht die Option. Wir hatten erwartet, dass die Suche nach Einsparpotentialen im investiven Bereich des Haushaltes erfolgt.
- Wir stehen zu unserer Entscheidung und finden es richtig und wichtig zu wissen, wo im Haushalt eingespart werden kann und bei welchen Leistungen und Haushaltsposten sogenannte Risikoaufschläge eingearbeitet sind. Damit könnte der Rat gemeinsam das Einsparpotential benennen. Einen solchen Weg würden wir spätestens im Zuge einer Haushaltssicherung auferlegt bekommen. Allerdings hat Borchen dann keine Handlungshoheit mehr und wäre von einer übergeordneten Stelle kontrolliert.
Was uns aber alle eint, so zumindest meine Vermutung, ist der Wunsch nach einem ausgeglichenen Haushalt. Das strukturelle Defizit muss in naher Zukunft aufgelöst werden. Dafür sind wir bereit uns einem intensiven Ringen darum zu stellen.
Wie geht es nun weiter? Wie wird das Abstimmungsverhalten zum Haushalt ausfallen?
Möglichkeit 1: Die Ablehnung des Haushaltes
Ich habe eben schon auf das Kartenspiel „Schwarzer Peter“ hingewiesen. Es wird nach vorne geholt, dass der Schulerweiterungsbau nicht umgesetzt werden könnte, die ganzen freiwilligen Leistungen könnten nicht freigegeben werden und die Borchener Bürgerinnen und Bürger würden leiden. So zumindest das aufgemalte Schreckgespenst. In Paderborn konnten wir das schon beobachten, wie so etwas geht. Letztlich wurde übergangsweise nur eine Art „Nothaushalt“ aufgestellt. – Und Paderborn steht immer noch.
Möglichkeit 2: Die Zustimmung zum Haushalt
Diejenigen, die hier zustimmen, sagen letztlich, den Haushalt finde ich so wie er dort steht in Ordnung. Ich mache es kurz: Für uns passt diese Position nicht, das ergibt sich schon aus unserem Antrag und unseren Beiträgen zur Beratung.
Für Borchen ist es nicht entscheidend, wer hier als vermeintlicher Gewinner oder Verlierer vom Platz geht. Für Borchen ist es wichtig, dass Borchen gewinnt. Und darum geht es uns bei der geforderten Trendwende auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt. Für die Trendwende sind ein gemeinsamer Sparwille, konstruktive Beratungen und ein einmütiges Vorgehen notwendig.
Von daher: Wir bleiben bei unserer angekündigten Entscheidung und werden diesem Haushalt nicht zustimmen.
In der Zeit zwischen dem HFA und der Ratssitzung gab es noch eine ganze Menge Seitengespräche. Auch die Idee, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe zu bilden, wurde geboren. Diese Gruppe soll die Aufstellung des nächsten Haushaltes mit begleiten, frühzeitig Informationen zu den einzelnen Produktgruppen erhalten sowie eine Konsolidierung aus politischer Sicht unterstützen.
Diese Idee hat unter den Fraktionen zwar Gehör gefunden, stößt aber letztlich auf eine eher ablehnende Haltung der SPD. Wir Grünen und auch die CDU sehen diese Idee als konstruktives Angebot. Die ablehnende Haltung können wir hier nur annehmen und akzeptieren.
Ein altes Zitat sagt: „Die beste Zeit einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Die nächstbeste Zeit ist jetzt.“ Übertragen wir das Zitat auf unsere Situation hier, bedeutet das:
Wenn wir einen gemeinsamen Weg finden wollen, ist es jetzt ein guter Zeitpunkt ihn zu definieren. Wir müssen über persönliche Vorbehalte hinwegsteigen. Das strukturelle Defizit bleibt sonst bestehen und zeigt uns die Grenzen auf, die wir bereits überschritten haben.
Klar ist nur eins, die Trendwende muss bald kommen und das auch, wenn die Wirtschaft nicht mehr so „brummt“ wie gerade.
Nun aber – nach der Ablehnung, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe zu installieren, wurde ein für uns wesentliches Angebot ausgeschlagen. Wir wollten unser Abstimmungsverhalten aus dem HFA, unsere angekündigte Entscheidung nochmals überdenken. Unter diesen Voraussetzungen aber, können wir den Haushalt heute nur ablehnen. Weder in diesem Jahr noch in Vorbereitung für das nächste Jahr werden die Weichen für eine Trendwende gestellt.
Ein gemeinsam gangbarer Weg ist noch nicht gefunden. Manchmal bedarf es einer gewissen Hartnäckigkeit, um Dinge in Bewegung zu bringen. Seit Jahren schauen wir alle nur mahnend in die Zukunft. Die dafür notwendige Zeit soll aber die freiwilligen Leistungen und auch das Betreuungsgebäude nicht berühren. Hier muss es weitergehen.
Wir versprechen im Sinne eines lebenswerten und klimafreundlichen Borchens auf Einsparungen zu achten und hoffen auf einen gemeinsamen Weg mit allen hier im Rat.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“
Guido Reitmeyer
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