Windkraft in Borchen: Neue Regeln — alte Probleme

KOMMENTAR von Prof. Dr. Peter Altenbernd

Klimaaktivist*innen und Umweltverbänden ist das neue NRW-Klimaschutzgesetz, das am 1. Juli 2021 von CDU und FDP als Mehrheit im Landtag verabschiedet wurde, zu wenig ambitioniert. Vor allem kritisieren Umweltverbände wie das Klimabündnis Bielefeld, dass Ziele nur unzureichend festgelegt werden. So wird nicht deutlich, wie das Begrenzen auf 1,5 Grad bei der Erderwärmung erreicht werden soll. Das Gesetz schreibt unter anderem einen 1000 Meter Mindestabstand von Windrädern zur Wohnbebauung vor. Mit dieser Regelung wird der Ausbau der Windenergie ausgebremst. Was für die grüne Transformation der wichtigen Großindustrien in NRW dringend notwendig ist, ist dadurch in der Praxis nicht im erforderlichen Maße möglich. In Regionen mit Außen- oder Splitterbesiedlung werden zukünftig sehr viel weniger Windräder gebaut werden können, als es die Umstellung auf klimafreundliche Energieträger notwendig macht. Dies mag eventuell betroffene Anwohner in solchen Siedlungsformen freuen. In Borchen gibt es solche Außenbesiedlung allerdings nicht.

Welche konkreten Auswirkungen der 1000 Meter Mindestabstand auf die Gemeinde Borchen hat, ist schwer zu abzuschätzen. Es sind zwei Szenarien denkbar:

  • Es ändert sich so gut wie nichts, denn das Gemeindegebiet verfügt über ausreichend viele Flächen, die grundsätzlich für Windkraft geeignet sind. Laut der Darstellung des Sachverständigen Michael Ahn (Planungsbüro Wolters&Partner) in der vorletzten Sitzungsrunde liegt das Flächenpotential bei ca. 65%.
  • Dadurch, dass es anderswo deutlich schwieriger wird mit der Erzeugung von Strom aus Windkraft, wird der Standort Borchen noch attraktiver für die Betreiber von Windenergieanlagen. Die Zahl der beantragten und dann auch zu bauenden Anlagen könnte steigen.

Aktuell ist die 1000m-Regel schon beim Abwägen von Standorten auf dem Gemeindegebiet berücksichtigt worden. Bereits ein paar Tage vor der Verabschiedung des Gesetzes traf sich der Bau- und Umweltausschuss der Gemeinde (am 22. Juni 2021). Mit auf der Agenda stand die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens neuer Windenergieanlagen.

Im Vorfeld der Sitzung wurde, wie zuletzt immer von SPD, via Presse und per E-Mail an die anderen Fraktionen „Stimmung“ gemacht gegen das Erteilen des gemeindlichen Einvernehmens zu den Windenergieanlagen. Einigermaßen seriös war der Einwand, die Anlagen könnten ein Wachstum der betroffenen Ortsteile behindern. Angesichts der Tatsache, dass in Borchen die Einwohnerzahl seit nahezu 20 Jahren nicht mehr gestiegen ist (siehe Haushaltsplan 2021), erscheint dieses Argument vorgeschoben zu sein. Zudem ist die weitere Entwicklung der Ortsteile im Regionalplan festgeschrieben und wurde auch bei der Standortwahl der Windenergieanlagen berücksichtigt. Somit ist dieser Einwand der SPD rechtlich in keiner Weise relevant.

SPD Borchen setzt weiter auf Verhinderung von Windkraftanlagen

Weniger seriös war dagegen ein Schreiben des SPD-Fraktionsvorsitzenden mit Anlage, in dem u.a. auf Gesundheitsschädigungen, Partikelbelastungen und Erosion von Böden verwiesen wurden — ohne dafür seriöse Quellen zu benennen. Mit einem solchen Schriftstück hätte mir mein Doktorvater den Hosenboden versohlt. Ich selbst würde so etwas nicht einmal bei einer Hausarbeit auf Bachelor-Niveau durchgehen lassen.

Vor Beginn der Ausschuss-Sitzung stand ich noch eine Weile vor der Halle, da ich es hinbekommen hatte, ausnahmsweise mal etwas zu früher vor Ort zu sein. Dort traf ich auf ein weiteres Ausschussmitglied, über dessen Namen und Parteizugehörigkeit ich den Mantel des Schweigens breiten möchte. Ich sprach den Ausschuss-Kollegen auf eben jenes Schriftstück an. Die Antwort war für mich verblüffend und erhellend zugleich: „Diesen Quatsch lese ich schon gar nicht mehr!“.

Im Ausschuss selbst verlangte SPD-Ratsmitglied Volker Tschischke — bekannt durch sein Engagement in der Anti-Windkraft-Szene — umgehend eine namentliche Abstimmung, um den Druck auf die Mitglieder zu erhöhen. Der Ausschuss lehnte dies mehrheitlich ab. Davon unbeeindruckt erfolgte sein Redebeitrag, in dem er sich erneut den Raum nahm, um über die gesundheitlichen Risiken durch Windräder zu lamentieren. Ein Ende fand dies erst, als der Bürgermeister intervenierte und erklärte, dass diese Fragestellung im Zusammenhang des gemeindlichen Einvernehmens keine Rolle spiele.

Die Tatsache, dass Volker Tschischke (SPD) zugleich Sprecher der Windvernunft NRW ist und damit als Lobby-Vertreter agiert, ließ ein Mitglied der CDU-Fraktion die Frage stellen, ob er nicht befangen sei? Wenn eine Befangenheit vorliegt, dann dürfen Mitglieder nicht zu diesem Tagesordnungspunkt an den Beratungen des Rates oder des Ausschusses teilnehmen. Ich meine bei dem CDU-Vertreter ein leichtes Augenzwinkern und eine ironischen Unterton gesehen und gehört zu haben. Jürgen Schmidt (SPD) nahm Herrn Tschischke sofort in Schutz und bescheinigte ihm zugleich eine dedizierte Kenntnis der Materie.

Damit war der Punkt erreicht, an dem es mich sehr drängte, mich in die Debatte einzuschalten. Nachdem mir das Wort erteilt wurde, konnte ich mit folgendem Redebeitrag einige der Behauptungen aus meiner Sicht sachlich gerade rücken.

„Ich möchte aufgreifen, was bereits in der letzten Sitzung gesagt wurde: Die SPD setzt weiter auf Verhinderung von Windkraft. Damals hieß es, die SPD handele im Sinne der Borchener Bürgerschaft. Das darf getrost bezweifelt werden, denn alle wissen, dass die Borchener SPD personell eng verbunden ist mit der hiesigen Antiwindkraft-Bewegung – insbesondere über Herrn Tschischke selbst. Aus diesem Umkreis bekommen die Ratsmitglieder seit Beginn des Jahres zahlreiche E-Mails, in denen die verwegensten Thesen vertreten werden, z.B.:

  • Es gibt keinen Klimawandel oder er lässt noch 100 Jahre auf sich warten.
  • Rotorenbewegungen heizen die Atmosphäre auf.
  • Hr.Tschischke schlägt in einer E-Mail Atomkraft als Alternative zur Windkraft vor.
  • Hr.Tschischke hat die Kanzlei Mock aus Königswinter beauftragt, einen Brief an die Gemeinde zu schicken. Hr.Mock ist als juristischer Vertreter von Klimaleugnern und Windkraftgegnern prominent geworden. In dem Brief heißt es, dass Windräder keinen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten. Es würde mich wirklich interessieren, wie Sie diesen Brief Ihrer Bundesumweltministerin oder Ihrem Kanzlerkandidaten erklären wollen.

Es kann also mitnichten Herr Tschischke als dedizierter Kenner der Materie bezeichnet werden. Vielmehr ziehen Herr Tschischke und die SPD Argumente ohne sachlichen Gehalt heran. Dabei treibt Sie ein Interesse an, das fast schon „religiös fanatisch“ anmutet und darauf abzielt, Windräder verhindern zu wollen. Und dies ist keinesfalls im Sinne der Borchener Bürgerinnen und Bürger!“

[Anmerkung: Der exakte Wortlaut kann in der Sitzung anders gewesen sein. Die detaillierten Fakten zu den sachlich haltlosen Vorhaltungen stehen in unserer Rubrik Windfang.]

Mein Beitrag und ähnliche Kommentare von den anderen Parteien (außer der SPD) wurden mit Applaus bedacht. Eine Klarstellung von J.Schmidt, die SPD wäre im Grunde pro Windkraft eingestellt, wurde dagegen mit Gelächter quittiert.

Eindeutige Abstimmungen im Bau- und Umweltausschuss

Bei den folgenden Abstimmungen zum gemeindlichen Einvernehmen wurde lediglich eine Anlage abgelehnt, da der 1000m Abstand unterschritten wird. Hier liegt die Überprüfung der Entscheidung nun beim Kreis Paderborn. Bei allen übrigen Anlagen wurde das gemeindliche Einvernehmen erteilt — erwartbar gegen die Stimmen der SPD, die konsequent an allen Anlagen etwas auszusetzen hatte.

Wir Grüne in Borchen begrüßen und unterstützen hiermit noch einmal deutlich den lösungsorientierten und zielführenden Ansatz, den der Bürgermeister Uwe Gockel bei der Flächennutzungsplanung eingeschlagen hat. Gemeinsam mit den Anlagenbetreibern und dem Planungsbüro wird auf der Grundlage der vorhandenen Potentialflächen für Windkraft ein Weg geebnet, um einen zukünftig belastbaren Plan für die Gemeinde zu erstellen. Dieser Weg ist richtig und erkennbar von breiter Akzeptanz im Rat der Gemeinde Borchen getragen.

Da der Verlauf der Diskussionen in der Presse nicht in der Ausführlichkeit abgebildet werden können, wollte ich mit dieser Darstellung die Öffentlichkeit nachträglich informieren. Es wäre zu schade, wenn diese deutliche Gegenrede gegen die Vorhaltungen in Sachen Windkraft ungehört verpuffen würde.

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