Warum wir einen Nationalpark brauchen!

STELLUNGNAHME

Unsere Umwelt, unsere Heimat, unser Planet – nicht nur die junge Generation ist in Sorge. Wie bedroht unser Klima und unsere Lebenswelt sind, mussten viele Menschen nun auch in Deutschland selbst erleben. Die Bilder aus dem Ahrtal haben insbesondere die Älteren aus Borchen daran erinnert, welch furchtbare Gefahren von Wetterkatastrophen wie Hochwasser ausgehen. Wir müssen die Warnungen ernst nehmen. Das heißt, wir müssen das ändern, was die Umwelt schädigt: eine Wirtschaftsweise, die Ressourcen verbraucht, die die Umwelt belastet und die in Kauf nimmt, dass die Natur, die Artenvielfalt und das ökologische Gleichgewicht verloren gehen.

Ein zentraler Schritt in die diese Richtung ist die Ausweisung von Nationalparks. Nur hier kann sich die Natur regenerieren und nach ihren eigenen Regeln entwickeln. Wie nötig das ist, zeigt ein Blick in die Wälder: die Bewirtschaftung mit Fichtenmonokulturen hat zu großen Schäden und notwendigen Abholzungen geführt. Wälder sind vielfach durchschnitten von Wegen, die für LKW und den Transport von Langholz ausgebaut und geschottert sind. Fachleute wie der Biologe Günther Bockwinkel gehen davon aus, dass der Rotwindbestand viel zu hoch ist (ca. 10 mal so hoch wie die Vorgaben des Umweltministeriums) und ein Nachwachsen junger Bäume verhindert.

Was für Chancen bietet der Nationalpark?

Das Land Nordrhein-Westfalen hat unserer Region Ostwestfalen-Lippe das Angebot gemacht, in der Egge einen Nationalpark auszuweisen, und zwar auf ca. 12.400 ha Staatswald. Was für eine Chance! Gerade jetzt, wo die Hälfte des Waldes nach Borkenkäferbefall abgeräumt bzw. nicht nutzbar ist, kann natürlicher und klimaresistenter Wald entstehen, in dem statt Monokultur unterschiedliche Baum- und Straucharten wachsen. Bäume werden nicht gleichzeitig abgeerntet, sondern werden unterschiedlich alt – bis zu mehreren hundert Jahren. Totholz liefert Raum für natürliche Kreisläufe. In solchen stabilen Laubmischwäldern kann die Natur sich neu entfalten und Raum bieten für die vielen ganz besonderen und bedrohten Tier- und Pflanzenarten, die hier leben. Die Egge bietet einzigartige Lebensräume, u. a. zerklüftete Gelände mit vielen Höhlen und Spalten sowie Moore. Hier konnten Tieren und Pflanzen überleben, die es woanders kaum noch gibt, neben Wildkatzen z. B. das vom Aussterben bedrohte Haselhuhn oder die seltene Bechsteinfledermaus. Einzelne Käferarten und Pflanzen kommen weltweit (fast) nur hier vor.

Gleichzeitig bietet ein Nationalpark enorme Potenziale für die heimische Wirtschaft, vor allem für den Tourismus. Von einem Nationalpark, das zeigen die Erfahrungen in bestehenden Nationalparks wie im Kellerwald oder in der Eifel, profitieren die umliegenden Gemeinden durch Arbeitsplätze, Attraktivität und nicht zuletzt Steuereinnahmen. Zudem finanziert das Land Dutzende Stellen, die zur Unterhaltung eines Nationalparks notwendig sind, z.B. Ranger.

Im Einklang mit dem Schutzzweck dienen Nationalparke auch der wissenschaftlichen Umweltbeobachtung, der naturkundlichen Bildung und dem Naturerlebnis der Bevölkerung. Wie wichtig Naturerleben und Umweltbildung für junge Menschen in Borchen sind, zeigt das Projekt „Altenau-Ranger“ schon seit über 16 Jahren. Die Sekundarschule Borchen arbeitet mit dem Landesbetrieb Wald und Forst zusammen und nutzt den Schulwald Ritterholz als außerschulischen Lernort in vielen Fächern.

Warum sind dann so viele gegen einen Nationalpark?

Vielen Menschen machen Veränderungen Angst, z. B. Angst um ihren Arbeitsplatz in der Forstwirtschaft oder um die Zukunft ihrer landwirtschaftlichen Erträge. Dagegen äußern sich bisher von allem Interessenverbände aus der Forstwirtschaft und der Landwirtschaft. Ja, es wird Veränderungen geben müssen. Viel größer werden die Veränderungen und Bedrohungen auch für Holz- und Landwirtschaft aber sein, wenn wir uns auf den Klimawindel nicht einstellen, d.h. die Natur nicht schützen.

Aus unserer Sicht lassen sich die meisten wenn nicht alle Argumente gegen einen Nationalpark widerlegen. So geben die Waldbauern an, der regionale und nationale Holzmarkt sei bedroht. Bockwinkel weist darauf hin, dass der prognostizierte Verlust von ca. 35.000 Festmester Holz pro Jahr aber nur 0.6 Prozent der in Nordrhein-Westfalen nutzbaren Holzmenge ausmacht, das Defizit ist also gut auszugleichen – ohne deshalb mehr Tropenholz importieren zu müssen, wie behauptet wird.

Unrealistisch klingt die hohe Zahl von Arbeitsplätzen, die angeblich vom möglichen Nationalpark in der Egge abhängen: 4.500 oder mehr als 30.000 je nach Quelle. Offizielle Quellen wie statista geben für ganz Deutschland die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Forstwirtschaft mit 35.151 an. Die Fläche, um die es voraussichtlich gehen wird, macht nur etwas mehr als ein Prozent des Waldbestandes in Nordrhein-Westfalen aus. Hochgerechnet käme man also auf 400.000 oder 3.000.000 Stellen allein für NRW. Selbst wenn man nicht die Forstwirtschaft allein betrachtet, sind die angegebenen Zahlen also fern der Realität.

Gleichzeitig befürchten die Waldbauern, durch Jagdverbote stiegen die Wilddichte und die Wildschäden. Expert*innen gehen davon aus, dass eine angepasste Bejagung in Nationalparks nicht zu mehr, sondern zu weniger Wild führt. In Nationalparks wird Wildtierregulierung als ein Instrument des Artenmanagements als gerechtfertigt angesehen. Durch den Einfluss des Menschen sind viel zu hohe Population bestimmter Arten entstanden, die den natürlichen Lebensgemeinschaften eines Nationalparks entgegen stehen, z. B. Schalenwild zur Trophäenjagd. Hier dürfen Eingriffe stattfinden, die die Schutzzwecke berücksichtigen. Eingriffe finden auch statt, um negative Auswirkungen auf landwirtschaftliche Flächen im Umfeld zu vermeiden. Es gibt allerdings keine Trophäenjagd mehr.

Aus der Landwirtschaft kommt die Befürchtung (bzw. Behauptung), die Landwirtschaft im Umfeld sei beeinträchtigt. Tatsächlich gibt es keine Einschränkungen für landwirtschaftliche Flächen außerhalb des Nationalparks, auch keinen Umgebungsschutz (Pufferzonen). Auswirkungen auf die Bewirtschaftung der Flächen außerhalb werden vermieden. Wild, das benachbarte landwirtschaftliche Flächen schädigt, darf ausdrücklich bejagt werden. Gerade solche Reviere sind bei Jäger*innen sehr begehrt.

Auch andere, oft befürchtete Einschränkungen z.B. für Anwohner*innen gibt es nicht: keinen Eintritt, keine Zäune, aber natürlich. ein Betretungsverbot für sensible Bereiche. Der Nationalpark lädt ein, Natur zu erleben und sich dafür ehrenamtlich zu engagieren, da eigens dazu viele Kilometer attraktive Rad- und Fußwege angelegt werden. D.h. für die Anwohnerschaft erhöht sich die Attraktivität des Waldes deutlich.

Welche Erfahrungen gibt es mit anderen Nationalparks?

Auch im benachbarten Nationalpark Kellerwald (Edersee) gab es vor dessen Gründung 2004 eine Vielzahl von Widerständen und Bedenken. Seither ist er eine einzige Erfolgsgeschichte – nicht nur für Natur und Umwelt sondern auch die Grundlage für ca. 1400 Arbeitsplätze. Signifikante Nachteile sind nicht erkennbar, d.h. keine Insolvenzen in der Forstwirtschaft, keine Einschränkung der benachbarten Landwirtschaft, keine nennenswerte Zugangsbeschränkungen für die Anwohnerschaft, keine Kosten für die beteiligten Kommunen und Kreise. Der Nationalpark Kellerwald hält eine komplette Region zusammen.

Warum abgestufte Konzepte keinen Sinn machen ?

Ein weiterer Einwand lautet häufig, dass die Egge nicht mit anderen Nationalparks vergleichbar sei. Da ist natürlich richtig, denn alle unsere bisherigen Nationalparks sind in keiner Weise mit einander vergleichbar. Während der Kellerwald mit seinem sehr alten Buchenbestand punktet, ist es bei uns die großartige Artenvielfalt, für die nur ein Nationalpark den ausreichenden Schutz darstellt. Nur ein Nationalpark ist ein großräumiges, weitgehend unzerschnittenes Gebiet von besonderer Eigenart, der durch den speziellen Schutz einen möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik gewährleistet.

Reicht nicht auch ein Naturpark o.Ä. anstelle eines Nationalparks? Nein! Selbstverständlich liefert nur ein Nationalpark hinreichenden Schutz für die Bewahrung dieser Artenvielfalt. Der Umbau der Egge in einen„klimaresilienten Nutzwald“ ist eine Utopie, da z.Zt. niemand genau sagen kann, wie das eigentlich gehen soll.

Beteiligt unsere Bürger*innen !

Es gibt also nichts zu verlieren, aber sehr viel zu gewinnen! Ein Nationalpark Egge schützt nicht nur die Natur unserer Heimat, sondern bietet Naturerlebnisse, erweitert die Möglichkeiten der Umweltbildung und stellt eine einzigartige Entwicklungschance für unsere Region dar.

Die Menschen der Region sind eingeladen und aufgefordert sich zu beteiligen. Vorschnelle Ablehnung durch Teile der Politik, die sich von schlecht informierten Interessensverbänden leiten lässt, entspricht nicht unserem Demokratieverständnis!

Der Borchener Ortsverband der Grünen plant daher eine Informationsveranstaltung zum Thema Nationalpark.

Zum Weiterlesen:

Startseite | nationalpark.nrw.de

FAQ_zum_Nationalpark_Egge_Mai_2023.pdf (bund.net)

Flyer, Schriften & Broschüren – Egge Nationalpark (egge-nationalpark.de)

Wildtierregulierung in den deutschen Nationalparks – Positionspapier überarbeitet – Nationale Naturlandschaften (nationale-naturlandschaften.de)

Abenteuer Natur / Ranger – Schule an der Altenau (sekundarschule-borchen.de)

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